Warum gibt es 30 Jahre nach dem Mauerfall noch ein Ost und West, ein Wir und Ihr? Woran liegt das? Das fragt sich NDR Filmemacherin Birgit Wärnke. Sie geht auf eine persönliche Spurensuche.
Denn Wärnke war ein typisches DDR-Kind: Kinderkrippe, Kindergarten, Jungpionierin in der Schule, dazu Sporterziehung im Armee Sportklub. Dann kam die Wende. Nach dem Abitur hatte sie das diffuse Gefühl "im Westen habe ich bessere Chancen". Also ging sie wie so viele andere junge ostdeutsche Frauen in den Westen. Es war eine gigantische Abwanderungswelle. Ostdeutschland verliert fast vier Millionen Einwohner.
Die Autorin trifft unter anderem Menschen, die sich die DDR zurückwünschen, "weil es früher besser war". Damals hatten sie einen sicheren Arbeitsplatz, waren Teil einer Gemeinschaft und sozial abgesichert. "Heute", erzählen die beiden Freundinnen Liane Linke und Monika Barnekow, "musst du dich um alles selber kümmern." Die Schwerinerinnen haben 1978 ihre Ausbildung im VEB Kombinat Lederwaren gemacht. Sie arbeiteten im Schichtdienst und wurden als "Aktivisten der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet. Mit der Wende haben sie - wie Millionen andere DDR-Bürger auch - ihren Arbeitsplatz, Sicherheit und Anerkennung verloren. Und noch immer liegt der mittlere Verdienst im Osten deutlich unter dem im Westen.
Wärnke begegnet aber auch Werner Molik. Anders als die beiden Näherinnen, wollte er nicht in der DDR leben und stellte mehrere Ausreiseanträge. Der Systemkritiker wurde 1977 verhaftet und erst anderthalb Jahre später von der Bundesrepublik freigekauft. Heute besitzt Molik auf Usedom ein Vier-Sterne-Hotel in bester Lage. Der Hotelier sieht sich selbst als Wendegewinner. Und er will "die deutsche Kultur bewahren". Wärnke arbeitet heraus, dass sich nicht nur die sogenannten Abgehängten im Osten zur AfD hingezogen fühlen, sondern auch Molik, der erfolgreiche Unternehmer, der einst in der DDR Oppositioneller war.
30 Jahre nach dem Mauerfall ist Filmemacherin Birgit Wärnke auf Spurensuche gegangen. Entstanden ist eine Dokumentation, die fragt: Warum ist die Deutsche Einheit noch nicht vollendet?
Die NDR Autorin trifft auch ihre ehemalige Lehrerin wieder. Sabine Stoof war damals SED-Parteisekretärin. Sie war überzeugt, dass der Sozialismus das bessere System sei. Mit der Wende änderte sich für sie alles. Sabine Stoof musste sich intensiv mit ihrer Rolle in der DDR auseinandersetzen: "Ja, ich habe Schuld, weil ich meine Schüler nicht aufgeklärt habe, dass sie in einer Diktatur leben." Die ehemalige Lehrerin geht im Film noch einen Schritt weiter: Sie wird Einsicht in ihre Stasi-Akte beantragen. Die NDR Doku zeigt eindrücklich, wie viel Macht die untergegangene Diktatur noch immer über ihre Ex-Bürger hat.
Birgit Wärnke, die mittlerweile seit mehr als 20 Jahren in Hamburg lebt, lässt auch Westdeutsche zu Wort kommen. Sie erfährt, dass es auch in den alten Bundesländern Unzufriedenheit gibt: "In Ostdeutschland ist mittlerweile alles vom Feinsten, Westdeutschland wurde zu lange vernachlässigt, jetzt müssen wir mal an Gesamtdeutschland denken."
Einheitsland ist eine intensive Dokumentation über den Zustand unserer Republik mit Rückblicken in die Geschichte. Dabei werden die großen Themen der Zeit mit seltenen Archivbildern erzählt.
Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Einheitsland-Oder-doch-nicht,sendung959368.html